StadtRaumBoxen #25: Inken Reinert. SITZEN LASSEN

25.10.2024–5.1.2025

Für die 25. Ausstellung der StadtRaumBoxen hat Inken Reinert drei Konstellationen aus gefundenen gebrauchten Stühlen geschaffen.

Dabei nutzt die in Berlin lebende Künstlerin eine Arbeitsweise, die bereits viele ihrer vorangegangenen Projekte bestimmt: die Nutzung von Foundfootage. Das verwendete Material besitzt eine historische, politische, soziale und kulturelle Konnotation und damit Erinnerungen, die ihm eingeschrieben sind. Durch die Wiederverwendung spürt sie diesen einerseits nach, rückt die Erinnerungen beziehungsweise die mit ihnen verbundenen politischen und gesellschaftliche Informationen erneut ins Bewusstsein. Andererseits findet durch die neue Kontextualisierung eine Umwertung der Bedeutung dieser Objekte und Materialien statt. Inken Reinert eröffnet nicht nur neue Perspektiven auf das Gefundene, sondern setzt es mit dem Ort der jeweiligen Installation in Beziehung, sodass zugleich der Einfluss von Architektur und Design auf den öffentlichen Raum allgemein befragt wird.

Thematisch stehen häufig Verschiebungen in Wertesystemen und Prozesse der Verdrängung in ihrem Fokus, wie sie zum Beispiel nach dem Zusammenbruch des Sozialismus als Gesellschaftsform der Fall waren. In raumgreifenden Installationen dekonstruiert sie das Material und reagiert mit den neuen Arrangements auf Architektur und Situationen im öffentlichen wie privaten Raum. Dabei werden von ihr Leerstellen, Brachen, Orte des Wandels, des Ephemeren nach ihrer Geschichte und ihren Potentialen befragt und diese Lücken gleichsam symbolisch wie wortwörtlich (wieder) gefüllt.

Für die StadtRaumBoxen hat Inken Reinert aus ausrangierten Stühlen, die zum großen Teil noch aus DDR-Produktion stammen, drei „Konstellationen“ in den Vitrinen zusammengestellt. Die Stühle hat sie über Ebay Kleinanzeigen gefunden und einige im Fundus des KulturQuartiers. Allen Stühlen ist gemeinsam, dass sie gelagert beziehungsweise abgestellt waren, also länger nicht mehr für ihren eigentlichen Zweck, dem Sitzen, benutzt wurden. Zudem verbindet diese Sitzmöbel, dass sie eher im Kontext von Veranstaltungen oder der Gastronomie verwendet wurden.

Der Begriff des Sitzens – der auch Teil des Ausstellungstitels geworden ist – eröffnet selbst ein großes Assoziationsfeld, das von ganz privat  (er/sie/es wurde sitzengelassen, Sitzlandschaft) bis öffentlich/offiziell (an einer Sitzung teilnehmen, den Vorsitz haben, Amtssitz) und all seinen Bedeutungen dazwischen (sitzenbleiben oder nachsitzen in der Schule, Probleme aussitzen, seine/ihre Zeit absitzen, Besitz ergreifen) reicht,  das aber auch neutrale Bedeutungen (sitzen, Sitzgelegenheit) oder politische und ganz aktuelle Konnotationen haben kann (Wohnsitz, Sitzblockade, Sitzverteilung).

Wie auch ihre anderen Arbeiten kann „Sitzen lassen“ als Kommentar und Analyse verstanden werden. Die Arbeit besitzt aber zugleich eine starke poetische Kraft: Eine mögliche systematische Struktur wird aufgehoben in einer multiplen Anordnung, die sich als komplexes Beziehungsgeflecht ohne Anfang und Ende im und aus den Rahmen der StadtRaumBoxen heraus entwickelt. Letztlich ist die Arbeit eine Reflektion über Utopie, Realität und individuellem Lebensentwurf.



Vita

seit 2002 Gründungsmitglied des Damensalon, Berlin www.damensalon.net 
2000/2001 Meisterschülerin bei Werner Liebmann, Kunsthochschule Berlin-Weißensee
1999/2000 Arbeitsaufenthalt in Chile
1997 Institute of Printing, London
1993–1999 Studium der Malerei, Kunsthochschule Berlin-Weißensee (Diplom)

Stipendien, Preise, Förderungen
2020 Arbeitsstipendium der Kulturstiftung des Freistaates Thüringen, 2020 Realisierung des Projektes Quer durchs Viertel, Wettbewerb Kunst im öffentlichen Raum II. Bauabschnitt der Karl Marx Allee, Berlin, 2019/20 Arbeitsstipendium der Stiftung Kunstfonds – Corona Neustart, 2019 Katalogförderung des Berliner Senats, 2018 Katalogförderung der Stiftung Kunstfonds Bonn, 2011 Förderung Projektfonds Kulturelle Bildung, 2009 Projektförderung des Berlin Senats für Homestories II, 2008 Projektförderung des Berliner Senats für Homestories I, 2007 Stiftung Kunstfonds, Bonn, 2004 Goldrausch Künstlerinnenprojekt artIT, 2001 Stiftung Kulturfonds, 2001 Werkvertrag der sozialen Künstlerförderung, Berlin, 2000 Heinrich-Böll-Stiftung, 1997 Erasmus-Stipendium, London, UK, 1993 Max-Leugher-Preis, Förderpreisträgerin